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Vor 2000 Jahren wurde der rote Teppich für ehrenhafte Empfänge einmal ganz spontan durch Palmzweige und Kleider ersetzt. So empfing die Menschenmenge Jesus in Jerusalem. Aber wird er die Erwartungen der Leute erfüllen?
Als am Tag darauf die große Volksmenge, die zum Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem komme, nahmen sie die Palmzweige und zogen hinaus, ihn zu empfangen, und riefen: „Hosanna, gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König Israels.“ Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: „Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt, sitzend auf dem Füllen einer Eselin.“ Dies verstanden seine Jünger zunächst nicht, aber nachdem Jesus verherrlicht worden war, da erinnerten sie sich, dass dies über ihn geschrieben stand und dass man ihm solches getan hatte.
Das Volk nun, das bei ihm gewesen war, als er Lazarus aus dem Grab gerufen und ihn von den Toten auferweckt hatte, legte davon Zeugnis ab. Eben darum ging ihm das Volk entgegen, weil es gehört hatte, er habe diese Zeichen getan. Da sagten die Pharisäer zueinander: „Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet. Alle Welt läuft ihm bereits nach.“
Die Bibel, Johannes-Evangelium 12,12-19 (Zürcher Übersetzung)
Die Menschenmenge jubelte Jesus zu, weil sie wusste, dass Jesus bei der Auferweckung des Lazarus Macht über den Tod bewiesen hatte. Und nun hofften sie auf Befreiung von der Besatzungsmacht der Römer. Ist das nicht eine gerechtfertigte Erwartung an einen göttlichen König? Wie anders soll man Gottes Vorhersagen im Alten Testament verstehen?
Dem genauen Betrachter fällt auf, dass Jesus viele Vorhersagen des Alten Testamentes bis ins Detail erfüllte. Die Wahrscheinlichkeit einer zufälligen Erfüllung ist so gering, dass man ebenso gut ein zuvor festgelegtes Sandkorn am Ostseestrand suchen könnte. Jedoch gibt es auch Vorhersagen, die Jesus bisher nicht erfüllte.
Kann er es nicht? Dann wäre Jesus nicht Gott.
Sind die Voraussagen falsch? Jesus selbst zitiert das Alte Testament häufig und bestätigt es nachdrücklich (vgl. Matthäus 5,17-19).
Oder verstehen wir die Gedanken des Allmächtigen nicht, weil wir Gottes umfassende Wahrheit selbst im Rückblick nur stückweise erkennen? Johannes, der damals einer der engsten Vertrauten von Jesus war, bestätigt letzteres Argument. Ehrlich schreibt er, dass sogar die Schüler von Jesus erst im Rückblick die Ereignisse richtig einordnen konnten. Und Jesus sagt an anderer Stelle, dass er wiederkommen wird. Dann wird er noch ausstehende Voraussagen erfüllen.
Auch seine Wunderzeichen weisen Jesus als den von Gott vorher angekündigten Retter aus. Entgegen menschlichen Erwartungen hat Jesus jedoch die Größe, sich selbst klein zu machen. So benutzte er demonstrativ einen Esel als Reittier. Der Allerhöchste kommt sozusagen mit einem Kleintransporter statt mit einer Staatskarosse.
Viele der religiösen Führer reagierten mit Überheblichkeit auf Gottes freundliches Entgegenkommen, denn Jesus passte nicht in ihr Denkgebilde von Gott und der Welt. Hinzu kam ihre Angst vor der Reaktion der Besatzungsmacht. Statt die Wahrheit zu suchen und ihre eigenen Erkenntnisse zu hinterfragen, bekämpften sie die Wahrheit mit rechtswidrigen Mitteln. Sie hatten beschlossen, nicht nur Jesus, sondern auch Lazarus zu töten (vgl. Etappe ►J52). Mit diesen Entscheidungen stellten sie sich eindeutig auf die Seite des Bösen.
Zunächst müssen sie machtlos dem glanzvollen Einzug von Jesus in Jerusalem zusehen: Sie können Jesus nicht stoppen. Wenige Tage darauf gibt dieser dem hasserfüllten Treiben der Menschen statt: Er lässt sich unschuldig zum Tod verurteilen und hinrichten.
Gottes Strategie erscheint uns paradox. Der Allerhöchste präsentiert sich scheinbar ohnmächtig und schwach. Aber weder selbstsüchtige Ehrerbietung noch hasserfüllte Boshaftigkeit können ihn davon abbringen, die Menschen zu lieben und ihnen Gemeinschaft mit dem heiligen und gerechten Gott zu ermöglichen. Jesus kommt zu seinem guten Ziel – obgleich sogar seine Freunde ihn häufig nicht verstehen.
Auch heute unterscheiden sich unsere Vorstellungen von Gott oft von dem, was wir erleben. Wie gehen wir damit um?
Viele Christen folgen bibelkritischen Theologen und sortieren eigenmächtig die Bibel aus: Was ist Gottes Wort und was ist Zusatz durch Menschen, den wir nicht ernst nehmen müssen. Degradieren wir auf diese Art Gott zum Handlanger für menschliche Selbstüberschätzung?
Andere verteidigen offensiv ihre vorgefasste Meinung. Sie wollen Gottes Wort genau beachten; jedoch bewerten sie ihre subjektive Auslegung der göttlichen Aussagen sehr hoch. Dabei berufen sie sich oft auf namhafte Menschen oder verstecken sich hinter Gleichgesinnten. Anderslautende Erfahrungen und Erkenntnisse blenden sie ungeprüft aus. Sie wollen keine offenen Fragen akzeptieren.
Hingegen führte Jesus seine Schüler durch Missverständnisse zu neuen Perspektiven. Jesus ist Gott. Er erfüllt nicht unbedingt unsere Erwartungen. Denn unser Denken ist begrenzt, wir können seine Gedanken oft nicht erfassen. Deshalb scheint manche Enttäuschung, manches Missverständnis für den aufrichtigen Nachfolger unvermeidlich. Aber Jesus erreicht seine guten Ziele und er ist vertrauenswürdig. Während wir mit ihm in vertrauter Verbindung leben, können auch wir neue Perspektiven gewinnen. Auf diese Weise werden wir mit ihm gemeinsam gute Ziele erreichen.
Wollen wir Jesus vertrauen, auch wenn wir ihn nicht verstehen?
Tamara Schüppel
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